Marokko 2003

 

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Von Regen, Beinahe-Katastrophen und marokkanischer Gastfreundschaft

 

 

Bereits Ende 2002 steht für mich fest, daß ich im Herbst des Jahres 2003 mit meiner nagelneuen Africa Twin das Abenteuer wagen will. Die Entscheidung für Marokko fällt anläßlich eines Rundreiseurlaubs mit meinem Mann eben dort.

Bereits im Frühjahr 2003 scheinen meine Pläne jedoch bereits zu scheitern, da meine beiden ursprünglichen Begleiter aus unterschiedlichen Gründen ihre Teilnahme absagen und auch die politische Lage nicht mehr unbedingt einen Individualurlaub in Nordafrika ratsam erscheinen läßt. Die Entführungen von Saharareisenden in Algerien im Februar und März und ein Attentat in Casablanca im Mai 2003 überschatten die Vorbereitungen.

Unermüdlich begebe ich mich auf die Suche nach Freiwilligen, die sich dazu bereit erklären würden, mich Fernreiseanfängerin zu begleiten. Nach mehreren Fehlschlägen mache ich dann im Juli durch Carlo die Bekanntschaft von Holger und Désirée und wir beschließen, uns gemeinsam im Oktober nach Marokko zu wagen, obwohl wir uns bis zu diesem Zeitpunkt erst einmal getroffen haben. Die beiden waren seit Oktober 2002 bereits 2mal mit dem Motorrad dort und sind im Vergleich zu mir wahre Marokkoprofis. Mich überrascht vor allem Désirées Leidensfähigkeit, die die bisherigen Reisen, wie diese auch, als Holgers Sozia erlebt hat.

 

Am 2. Oktober geht es dann los. Wären die Maschine und Gepäck nicht schon seit ein paar Tagen bei Holger gewesen, ich wäre umgedreht und zu hause geblieben. Ich habe regelrecht Angst vor meiner eigenen Courage. 24h später erreichen wir Almeria, rechtzeitig um abzuladen und die Nachtfähre zu nehmen.

Während der gesamten Fahrt habe ich das Gefühl, Beobachterin meiner eigenen Reise zu sein. Erst als die Fähre um 23.00h ablegt und sich die Lichter des Hafens immer weiter entfernen beginne ich zu realisieren, daß ich es tatsächlich selber bin, die in 7 Stunden den afrikanischen Kontinent mit dem Motorrad betreten soll.

 

Regen im Rif

In Melilla angekommen begeben wir uns zunächst noch auf die, leider erfolglose, Suche nach einem Elektronikladen oder Bastler, da das Stromversorgungskabel von Holgers GPS-Palm-Kombination während der Autofahrt leider durchgebrannt ist. Die Reparatur erfolgt dann letztendlich afrikanisch: mit viel Panzertape und Hoffnung. Nachdem wir die Motorräder umgepackt und uns noch mit einem Kaffee gestärkt haben, nehmen wir das Abenteuer Grenzübergang in Angriff.

Am Grenzübergang herrscht schon das übliche chaotische Gedränge von Autos und Fußgängern. Man läßt uns bereitwillig "drängeln" und beim Erledigen der Zollformalitäten ist uns sogar ein junger Zöllner behilflich, der es nicht fassen kann, daß eine Frau eine so große Maschine selber durch Marokko fahren will und sich daher unbedingt persönlich um das Wohlergehen dieser armen "schwachen" Frau kümmern muß.

So, jetzt bin ich also wirklich in Afrika. Mal sehen was die nächsten 3 Wochen bringen werden.

 

Wir machen uns sofort auf den Weg aus der Stadt und ab in Richtung Küste, wo wir versuchen wollen, uns auf kleinen Sträßchen und Pisten nach El Jebha durchzuschlagen, um von dort aus nach Chefchaouen weiterzufahren. Wir finden hier nette Pisten und Örtchen, wo seit Menschengedenken kein Tourist vorbeigekommen sein kann, denn die üblichen Forderungen der Kinder nach "Stylo" oder ähnlichem fehlen völlig und die Kinder wirken auch eher mißtrauisch als nervtötend. Kurz vor Al Hoceima erwischt uns in den Bergen leichter Regen und Nebel und wir beschließen, nicht nach El Jebha weiterzufahren, sondern unser Nachtquartier auf dem Campingplatz von Kalah Iris aufzuschlagen. Auf dem Weg dorthin tun sich die Höllenpforten und wahre Regenmassen ergießen sich auf die ausgetrocknete Landschaft und durchnässen uns innerhalb kürzester Zeit. In der schnell einbrechenden, mondlosen Nacht scheinen wir in ein schwarzes Loch zu fahren, ein ungewohntes, nicht wirklich angenehmes Gefühl. Als wir dann endlich, tropfnaß und durchgefroren, ein paar Häuser sehen, will uns schon, angesichts fehlender Beleuchtung der Mut verlassen. Wir finden jedoch in den dunklen Straßen von Torres einen netten Mann, der "Quaid", so eine Art Bürgermeister dieser Region, wie sich später herausstellt, der uns erklärt, man habe Stromausfall und uns anbietet, in seinem Ferienhaus zu übernachten, sollten wir den Campingplatz nicht finden. Wir nehmen die letzten paar Meter bis zum Campingplatz unter die Reifen und freuen uns schon auf eine Übernachtung in einem der dortigen Bungalows. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Bei der Besichtigung derselben beschließen wir spontan, das Angebot des Quaid anzunehmen, denn als der Lichtstrahl der Taschenlampe den Boden des Gebäudes trifft, beginnt der Boden zu leben und verwandelt sich von kakerlakenbraun in hellblau-weiß. Hierfür schien uns dann der Preis von 200 DH auch angesichts dieses Wetters deutlich zu hoch. Wir fahren ins Dorf zurück und werden vom Quaid persönlich zu seinem Ferienhaus geleitet, das sich ebenfalls auf dem Campingplatzareal befindet, aber deutlich besser gepflegt ist. Hier können wir endlich unsere nassen, durchgefrorenen Glieder in ein paar trockene Sachen stecken und nach ein paar Tassen Tee und einem wärmenden Schluck aus der Notfall-Flasche geht es uns schon wieder besser.

 

Am nächsten Morgen hat es zumindest aufgehört zu regnen und kaum stecken wir den Kopf aus der Tür ist auch schon ein dienstbarer Geist des Quaid zur Stelle, um uns Kaffee zu bereiten. Bevor wir den nächsten Teil der Strecke durchs Rif in Angriff nehmen, müssen wir noch zu unserem Gastgeber, um uns zumindest zu bedanken. Bei einer Tasse Kaffee und einem guten Frühstück bekommen wir noch seine Handynummer, für Notfälle, ein paar Ratschläge für die Durchquerung des Rifs und nach dem Versprechen, daß wir uns nach unserer Rückkehr nach Deutschland bei ihm melden, dürfen wir fahren. Die Piste nach El Jebha haben wir angesichts des Wetters bereits aus der Reiseplanung gestrichen und machen uns auf einem kleinen Sträßchen direkt nach Süden auf den Weg nach Chefchaouen, vorbei an Ketama. Nach 5 km bereits der erste Notstop: Désirées Helm hat Auflösungserscheinungen, die Halteschraube des Visiers hat sich gelöst uns ist davongeflogen. Also Anhalten, natürlich irgendwo in einem kleinen Örtlein und die Straßengräben absuchen. Das ist die Sensation des Monats und alle Anwesenden suchen begeistert mit. Leider ohne Erfolg und wieder kommt Panzertape zum Einsatz.

 

Vor der Weiterfahrt müssen wir uns jedoch zunächst stärken und legen daher in Targuist einen kurzen Aufenthalt ein. Wir finden ein kleines Restaurant direkt am Busbahnhof und sorgen hier für einen wahren Menschenauflauf von Kindern und Halbwüchsigen, die sich um unsere Motorräder und unseren Tisch scharen und jede unserer Bewegungen genauestens beobachten. So müssen sich die Affen  im Zoo fühlen. Nachdem wir uns mit einem hervorragenden Grillhähnchen mit Gemüse, Brot, Salat und Tee gestärkt haben, kann es weitergehen.

 

Leider können wir erst kurz vor Bab Berred die herrliche Landschaft des Rif sehen, denn bis dorthin fahren wir abwechselnd durch dichte Wolken mit Nieselregen oder noch dichteren Nebel. Eine echte Qual, vor allem, da ich bei der Reifenwahl auf trockene Piste gesetzt habe und mit meinen "Deserts" auf nasser Straße ständig in Gefahr bin, die Kontrolle über mein Gefährt zu verlieren. Holger hat da mit dem TKC80 deutlich besser gepokert. Endlich verzieht sich der Nebel und die Sonne lugte verstohlen hinter ein paar Wolken hervor. Und mit der Sonne kommen auch die motorisierten Haschdealer aus allen Löchern. Daß wir uns in "Kif-Land" befinden, ist uns schon unmißverständlich vor Augen geführt worden, als wir vor ca. 80 km die kleine Nebenstraße verlassen haben um die große Straße in Richtung Chefchaouen zu nehmen. An jeder Kurve ein "Trafficant" der mit eindeutigen Gesten oder sogar durch Winken mit schokoladentafelgroßen Haschischtafeln seine Ware an den Europäer bringen will. Und jetzt kommen dann auch noch die Autos dazu. So langsam rutscht uns das Herz in die Hose. Mit diversen Berichten aus Reiseführern und Zeitungen im Hinterkopf betrachten wir jedes uns entgegenkommende oder hinter uns fahrende Fahrzeug mit immer größer werdendem Argwohn und beginnen zu rasen wie die Henker, um potentielle Verfolger abzuschütteln. Aber wir haben wohl Glück oder die Dealer keine Lust oder man ist nicht mehr so aggressiv. Ein einziges Fahrzeug, ein monströser nagelneuer 4x4, wendet um uns zu überholen und dann wohl in irgendeiner Kurve abzupassen. Wir bekommen das mit und lassen ihn eine halbe Stunde warten. Später sehen wir ihn dann an einer perfekten Stelle auf uns warten. Er hat jedoch offensichtlich keine Lust mehr, mit uns zu "spielen" und läßt uns unbehelligt ziehen.

 

Die schönsten Stellen des Rif haben wir leider im Nebel passiert und den sichtbaren Teil der Landschaft vor lauter Panik nicht genießen können und so erreichen wir in der untergehenden Sonne Chefchaouen in den westlichen Ausläufern des Rif. Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich in diesem Gewirr von steilen Einbahngassen und dem Menschengewimmel auf den Straßen ein wenig anstrengend, doch endlich finden wir ein angenehmes Haus, in dem wir für die Motorräder sogar einen Platz in der Garage neben dem Mercedes des Chefs bekommen. Eigentlich will ich noch mit Holger einen kleinen Rundgang durch die Stadt machen, aber völlig erledigt muß ich wohl ich in voller Montur auf dem Bett eingeschlafen sein und werde erst am nächsten Morgen wach.

 

Ein kleiner Rundgang durch Chefchaouen, ein Tee und dann weiter nach Süden, ist die Planung. Leider macht uns da ein Gewitter einen Strich durch die Rechnung, das unseren Stadtrundgang deutlich verkürzt und sich zu einem Dauerregen auswächst, der erst am späten Nachmittag aufhört und dafür sorgt, daß wir eine weitere Nacht in Chefchaouen verbringen und Désirée und ich das nahegelegene Hamam besuchen können, wo wir den Frauen des Viertels ordentlich Gesprächsstoff liefern. Nach einem kleinen Imbiß aus frischen Oliven, Brot und Käse falle ich wir tot ins Bett.

 

Montezuma lebt im Mittleren Atlas

Am nächsten Morgen endlich Sonnenschein ohne eine einzige Wolke! Wir wollen heute nach Rabat und ich will auf dem Weg dorthin die alte Römerstadt Volubilis besichtigen, daher fahre ich schon deutlich vor Désirée und Holger los. Wir werden uns in Volubilis treffen. Der Weg führt mich auf der gut ausgebauten Straße Richtung Meknes durch nette Täler und ca. 30km hinter Chefchaouen ist offensichtlich auch das "Kif-Land" zu Ende, denn endlich winken die Kinder auf der Straße wieder und Erwachsene grüßen und halten keine Haschriegel mehr in den Händen. Der Regen des Vortags hat die Luft sauber werden lassen und ich genieße die Fahrt durch die Ausläufer des Rif und die schöne Landschaft, die mich ein wenig an die ligurischen Alpen erinnert.

 

In Nzala-des-Beni-Ammar nehme ich die "Michelin-grün" nach Moulay Idriss und finde mich plötzlich auf einer halb aufgerissenen schmalen Straße wieder, die offensichtlich gerade verbreitert wird. Demnächst dann Rennstrecke für die Reisebusse? Das Sträßchen windet sich in engen Serpentinen durch Olivenhaine und erlaubt immer wieder herrliche Blicke in die Täler und auf die dort liegenden Dörfchen. Die wenigen Leute, denen ich begegne, grüßen begeistert. Unvermittelt erreiche ich Moulay Idriss. Die Frage, ob ich noch einen intensiveren Blick auf diese Stadt werfen soll erledigt sich für mich umgehend, als ich vor dem Tor zur Medina kurz stehenbleibe und ein Dutzend Schlepper diese Sekunde nutzt und versucht mich vom Motorrad zu ziehen und mich zu Parkplatz und Stadtbesichtigung zu nötigen. Gas auf und nix wie weg hier! Und das soll die heiligste Stadt Marokkos sein? Der arme König Idris I, er würde ohne Unterlaß im Grab rotieren, wenn er das sehen könnte.

 

Ein paar Minuten später erreiche ich Volubilis. Diese Stadt war wohl die bedeutendste römische Gründung in Marokko und wurde auch nach der Aufgabe durch die Römer bis zum Tode Moulay Idris I im Jahr 792 n.C. von Berbern bewohnt. Nach der Gründung der Stadt Moulay Idris, wurde Volubilis aufgegeben und verfiel. Obwohl die Ruinen über Jahrhunderte als Steinbruch verwendet wurden, sind auf dem riesigen Ausgrabungsareal noch beindruckende Überreste wie der Triumphbogen, die Basilika und das Forum und wunderschöne Mosaiken in situ zu sehen.

 

An der Kasse muß ich erst mehrfach erklären, daß ich wirklich nur 1 Eintrittskarte brauche, da ich alleine mit dem Motorrad gekommen bin. Auf dem Forum wollen sich unbedingt 3 junge Marokkaner mit der Roboterfrau aus Deutschland ablichten lassen. So muß ich wohl mit den Protektoren und dem Cross-Shirt darüber auf die Jungs gewirkt haben. Perfektes Timing: als ich die Besichtigung beendet habe und gerade in Richtung Restaurant unterwegs bin, um einen Tee zu trinken, kommen auch Désirée und Holger angetuckert. Nach einer kurzen Pause machen wir uns dann auf den schnellen Weg über die gutausgebaute Straße nach Rabat, das wir kurz vor Sonnenuntergang erreichen. Nach kurzer Suche finden wir sogar das Hotel, das uns nach den Beschreibungen bei "Därr" am besten gefallen hat. Offensichtlich ist der ältere Besitzer jedoch inzwischen verstorben, denn das Hotel ist geschlossen. Ein paar Meter weiter, fast gegenüber der Kasbah des Oudaias, finden wir ein nettes Hotel, mit einer traumhaften Lobby im Märchenstil, aber leider schon nicht mehr ganz so märchenhaften sanitären Einrichtungen. Aber es ist alles sauber und ja nur für eine Nacht. Wir bringen die Moppeds auf den bewachten Parkplatz und begeben uns dann in die Medina, zum Essen, Stöbern und Genießen. aber was ist das? Es ist erst kurz nach 20.00 Uhr und die Geschäfte beginnen schon zu schließen? Das sind ja ungewöhnliche Zeiten für marokkanische Verhältnisse. Also doch nur noch kurz eine Harira und ein paar Würstchen und Brochettes aus der Hand und dann zurück ins Hotel.

 

Am nächsten Morgen machen Holger und ich noch kurz einen Rundgang durch die jetzt deutlich belebtere Medina und genießen das Treiben und einen frischen Orangensaft. Dann geht es weiter in Richtung Süden, aber zunächst heißt es erst einmal, dem Verkehr der Hauptstadt unbeschadet zu entkommen und dabei noch, trotz eigentlich nicht vorhandener Straßenbeschilderung den richtigen Weg zu finden. Letzteres gelingt uns nicht ganz, aber zumindest die grobe Richtung stimmt und wir begeben uns schnurstracks über diverse Pisten auf den kürzesten Weg zurück zu geplanten Strecke. Einmal heißt es umdrehen, weil der Regen der vergangenen Tage ein Stück Brücke weggerissen hat und ich auch beim Abfahren der Ufer, soweit möglich, keine geeignete Furt finden kann.

 

Da wir erst gegen Mittag aus Rabat losgekommen sind, suchen wir uns bei Einbruch der Dämmerung ein nettes Plätzchen auf einem Berg mit einem herrlichen Blick ins Tal und auf den Sonnenuntergang, den wir dann bei einem Fläschen Rotwein, das Holger in Rabat besorgt hat, und ein paar Oliven genießen.

Mitten in der Nacht werde ich von Stimmen und lauten Verdauungsgeräuschen aus der Richtung des benachbarten Zeltes geweckt. Das hört sich nicht gut an. Nun vielleicht bekommen die Beiden das mit Immodium bis zum Hellwerden soweit in den Griff, daß wir nach Khenifra weiterkönnen. Zum Glück habe ich gestern abend in Rabat keine Würstchen gegessen.

 

Leider habe ich mich verspekuliert und es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Tag und eine weitere Nacht hier einzuplanen. Die Sonne sticht unbarmherzig und es gibt leider keinen Schatten. Ich entfliehe der Hitze im Zelt auf dem Motorrad, erkunde die nähere Umgebung und kümmere mich auch um ein wenig Getränkenachschub für die beiden Kranken. Kurz vor der Dämmerung komme ich wieder an und sehe um den nächsten Buckel herum 2 Erwachsene und 1 Kind zielstrebig auf unser Lager zukommen. Hmm, ist das der neugierige Besuch, mit dem man in Marokko allenthalben zu rechnen haben soll? Wir haben heute den ganzen Tag über nur einen Ziegenhirten auf dem Nachbarberg gesehen, der uns aber aus sicherer Entfernung in Augenschein genommen hat. Die drei Personen nähern sich und stellen sich als Bauernfamilie von der anderen Seite des Berges vor. Sie haben uns Tee, ofenwarmes Brot, Käse, Hönig und Öl mitgebracht. Ich bin begeistert, das schmeckt hervorragend. Ich muß mich endlich mal auf den Hosenboden setzen und arabische Vokabeln pauken, denn mit ein paar Brocken Französisch und meinen wenigen arabischen Brocken läßt sich leider kein vernünftiges Gespräch gestalten. Schade. Wir verabschieden die Drei mit vielen Dankesworten und ein paar kleinen Geschenken und hoffen, daß wir nicht noch einen Tag hier verbringen müssen.

 

Am nächsten Tag sind Désirée und Holger zumindest soweit hergestellt, daß sie die verbleibenden 80 km bis Khenifra unter die Reifen nehmen können. Die Landschaft hat sich inzwischen völlig geändert. Aus den fruchtbaren Ebenen um Rabat, die auch im Herbst noch interessant in den unterschiedlichsten Brauntönen leuchten, ist inzwischen eine hügelige, trockene Steppenlandschaft mit ein paar vereinzelten Häuschen und Ziegen geworden.

 

In Khenifra begeben wir uns zielstrebig in das Hotel, das Désirée und Holger bei ihrem letzten Besuch bewohnt haben. Eigentlich wollten sie hier nur ein paar Photos vom letzten Besuch abgeben, aber sie wollen nun mindestens bis übermorgen bleiben, um sich wieder zu regenerieren. Désirée geht es inzwischen schon wieder ganz gut, aber sie hat jetzt eine fast aufs doppelte angeschwollene Hand, von einem Insektenstich. Holger scheint es schlimmer erwischt zu haben und am späten Nachmittag besorgen wir den Beiden aus der Apotheke noch ein paar Sachen, die sie dann tatsächlich auf den Weg der Besserung bringen.

 

Marokkanische Gastfreundlichkeit

Gegenüber dem Hotel befindet sich ein Lebensmittelladen mit Teestube, der von einem freundlichen älteren Herrn geführt wird und mich in die Kolonialzeit zurückversetzt. Im Gegensatz zu den übrigen marokkanischen Geschäften ist hier alles ordentlich und aufgeräumt, kein Stäubchen auf den Zedernholzregalen und Auslagen und ich erwarte eigentlich jeden Moment Tante Emma im gestärkten Rüschenschürzchen hinter der Theke zu sehen. Der Ladenbesitzer erkennt Désirée sofort wieder und als Ergebnis seiner Freude über die Photos werden wir während unseres gesamten Aufenthaltes mit Frühstück, Tee, Keksen und Hausmittelchen für die Verdauung versorgt, ohne daß wir dafür zahlen dürfen.

 

Am nächsten Morgen mache ich mich früh auf zu einem Ausflug in den mittleren Atlas. Die Gegend hier soll ja besonders schön sein. Leider präsentiert sich der Mittlere Atlas heute in Wolkengrau, was jedoch meine Begeisterung für diese herrliche Gegend nicht mindert. Hinter jeder Kurve bietet sich ein anderes Bild: Dichte Steineichenwälder wechseln übergangslos mit riesigen Zedernwäldern durchschnitten von den Schluchten des Oum Er Rabia. Beim Anblick der riesigen Zedern verstehe ich endlich die Schilderungen im Gilgameschepos, wenn hier die Rede von Bäumen ist, so hoch wie ein Berg. Die Menschen in den Dörfern auf dieser eigentlich touritisch vielbefahrenen Strecke reagieren völlig unterschiedlich: im einen Dorf versuchen die Kinder das Motorrad anzuhalten, um ein paar Dirham zu erbetteln, im nächsten Dorf, 3km weiter winken sie fröhlich und erwarten, daß man langsam macht und ihre ausgestreckte Hand abklatscht.

 

Zurück von diesem herrlichen Ausflug gehen Holger und ich in die Stadt. Er will zum Friseur zum Rasieren und ich muß unbedingt ein paar Süßigkeiten besorgen. Ich habe am Vortag eine junge Frau kennengelernt und werde ihre Familie heute nachmittag zum Tee besuchen. Es scheint eine eher untypische marokkanische Familie zu sein, da von den 6 Kindern (4 Töchter und 2 Söhne) 2 Töchter studieren bzw. studiert haben, der jüngste Sohn geht noch zur Schule. Der Tee dehnt sich bei interessanten Gesprächen, zum Glück können fast alle französisch, bis in den Abend und nach dem Abendessen kann ich mich nur mit allergrößter Mühe verabschieden, mit dem Versprechen, das nächste Mal mit meinem Mann zu kommen. Diese Familie hat mich sehr überrascht, vor allem mit der Tatsache, daß beim Abendessen die Frauen mit ihrem Gast zuerst gegessen haben und dann erst den Männern die "Reste" serviert wurden.

 

Zweifel

Nach zwei Übernachtungen in Khenifra geht es allen so gut, daß wir beschließen, weiterzufahren. Geplant ist die Pistenstrecke von Ouaouizaght – Tilouguit – Cathedrale de Roches nach Agouti zu nehmen. Nach einer herzlichen Verabschiedung durch den Ladenbesitzer kommen wir auch zügig bis Ouaouizaght. Hier überlegen wir uns eine Übernachtung am Stausee einzuplanen, beschließen jedoch, die 3 verbleibenden Stunden mit Tageslicht zu nutzen und eher eine Übernachtung in den Bergen in Betracht zu ziehen.

 

Die Piste ist zuerst noch asphaltiert und führt am faszinierenden Panorama des Oued Laabed vorbei, dann prima ausgebaut und trotz einiger größerer Steine, die leicht zu umfahren sind, zügig zu fahren. Das läßt mich hoffen. Plötzlich dreht Holger um, da ihm sein Palm anzeigt, daß wir auf der falschen Piste sind. Ein paar Meter zurück und dann links ab. Und das soll die Verbindungsstrecke nach Tilouguit sein? Es wird immer steiniger, also eher eigentlich felsiger. Der Weg wird immer schmaler und enger mit starken Auswaschungen, für Autos nicht mehr zu fahren. Ich bekomme ernsthafte Zweifel an der richtigen Wahl der Piste. Auf diesem Maultierpfad ist schon seit langer Zeit kein Auto mehr gefahren.  Ich schlingere mit einem mulmigen Gefühl um enge Kehren an tiefen Abgründen vorbei hinterher. Und dann passiert's. Holger will auf einem vielleicht 50 cm schmalen Pfad über eine Mure fahren, die links ca. 7m tief abbricht. Désirée hat er zum Glück vorher absteigen lassen und ich sehe, als ich ankomme, nur noch, wie er im Zeitlupentempo zusammen mit dem Mopped links über den Abhang kippt. Das Motorrad steckt ca. 50 cm unterhalb des Pfades mit den Rädern in der Luft zwischen 2 Felsen, aber Holger ist weg. Panik! Als ich zum Unfallort komme krabbelt er gerade die Geröllhalde hoch und verlangt laut nach einer photographischen Dokumentation seines Mißgeschicks. In der Zwischenzeit haben wir die Aufmerksamkeit von ein paar Halbwüchsigen auf uns gezogen, die dann bei der Bergung von Fahrzeug und Fahrer tatkräftig mit anpacken. Die Kinder, die kurze Zeit vorher, als wir an ihnen vorbeigefahren sind, laut nach Stylo oder Dirham verlangt haben, helfen jetzt mit, ohne eine Gegenleistung zu fordern. Holger hat zum Glück nur ein paar Prellungen abbekommen und am Motorrad scheint bei erster Überprüfung auch nichts kaputt zu sein, was eine Weiterfahrt verhindern würde. aber heute nicht mehr. Wir stellen die Zelte auf und werden von den Kids mit Wasser versorgt.

 

In dieser Nach schlafe ich sehr wenig. Ich bekomme ernsthafte Bedenken, ob ich diese Reise ohne bleibende Schäden überstehen werde. Vielleicht war es doch ein wenig vermessen, mit einem so enormen Reisedampfer wie meiner Africa Twin, nur 30.000 km gesamter Motorraderfahrung und 3 Tagen Endurotrainingserfahrung unter im Vergleich hierzu Kindergartenspielplatzbedingungen nach Marokko zu fahren und dort Piste fahren zu wollen. Außerdem habe ich Angst, daß es anfängt zu regnen, dann wäre diese Piste noch nicht einmal mehr zu Fuß begehbar.

 

Es gibt nicht nur Schutzengel in Hohen Atlas

Ich wache kurz nach dem Morgengrauen auf und sehe schon unseren ersten Besucher näherkommen. Ein steinalter Mann, mit Stock, bringt uns Tee, Wasser und Mandeln. Die Halbwüchsigen sind auch schon wieder da. Wir genießen den Tee und kaum eine halbe Stunde später kommt unser nächster Besucher, ein mindestens genauso alter Mann, diesmal mit Kaffee und frischem Brot.

Bestens gestärkt bringen wir Holgers Motorrad wieder zum Laufen und fahren los. Auf dem Rückweg komme ich an der felsigsten und steilsten Stelle ins Schlingern, kann die Maschine gerade noch abfangen, bleibe jedoch an 2 dicken Steinen hängen. Das Ergebnis jedoch ist ein total zerstörtes Werkzeugrohr, eine Delle im Motorschutz und ein Alukoffer mit nur noch 2/3 des ursprünglichen Volumens.

Mist, ich will hier nur noch weg, auf die Straße und keine Experimente mehr. Meine beiden Mitfahrer haben von Piste genauso die Nase voll und so fahren wir wieder nach Ouaouizaght zurück um dort Mittag zu essen. Der Bürgermeister von Ouaouizaght scheint bei Potjemkin in die Schule gegangen zu sein: die Gebäude an der Durchgangsstrasse sind bestens in Schuß und relativ neu, aber direkt dahinter hört der Asphalt auf und kleine ärmliche Häuschen drängen sich dicht an dicht. Diese Art des Städtebaus sollen wir im Laufe der Reise noch häufiger sehen. Am Marktplatz finden eine Imbißstube, die uns fasziniert: eine uralte Frau steht hinter der Theke und köchelt in einem großen Topf Gemüse. Unsere Cola muß erst beim Nachbarn eingekauft werden und das Speisenangebot beschränkt sich auf Gemüse, ein Stück Hühnchen, Brot und Tee, schmeckt aber dafür umso besser und kostet so gut wir nichts.

 

Gestärkt machen wir uns auf den Weg nach Demnate. Es wird immer windiger und gelegentlich fallen ein paar Tropfen Regen. Die Gegend gibt auch nicht wirklich viel zum Betrachten her und so beschließen wir, von Demnate gleich weiterzufahren. Es soll hier eine neue Straße direkt nach Ouaouarzate geben und wir denken, am frühen Abend die 120 km hinter uns gebracht zu haben. Aber erneut macht uns Petrus einen Strich durch unsere Rechnung. Kurz hinter Demnate beginnt es in Bindfäden zu regnen. Wir wollen auf den Campingplatz nach Imni Ifri, verpassen ihn aber im Regen und Nebel. Der Regen läßt nach und wir beschließen, weiterzufahren und nicht umzudrehen. Diese Entscheidung bereuen wir aber kurze Zeit später. Die Nacht bricht früh herein, der Regen wird immer stärker und offensichtlich regnet es hier oben schon länger als 1-2  Stunden, denn die Straße ist immer wieder überschwemmt und mit kleinen Muren aus Kies und Sand bedeckt.

Wie uns scheint eine Ewigkeit später kommen wir endlich wieder an ein paar menschlichen Behausungen vorbei. Das Schlimmste liegt noch vor uns, ein Paß mit 2000m, und so lassen wir uns bereitwillig von ein paar jungen Männern anhalten, die uns erklären, wir dürften unter keinen Umständen weiterfahren, bei diesem Unwetter bestünde Lebensgefahr und man würde uns jetzt zu einem "Geschäft" führen, wo wir übernachten könnten. Wir werden zum örtlichen Dorfkrämer geführt, ein junger Mann von vielleicht 25 Jahren, der uns in sein Haus einläßt, uns sein Schlafzimmer zur Verfügung stellt und uns unter den wachsamen Augen seiner Freunde, mit Tee, Mandeln, einer köstlichen Tajine und Kaffee bewirtet. Ein paar Stunden und viele Gespräche später haben wir endlich die Neugier der Anwesenden befriedigt und dürfen ins Bett. Das dörfliche Besichtigungsprogramm für den nächsten Tag ist auch schon festgelegt.

 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und nichts außer ein paar kleine Pfützen im Bach hinter dem Haus, der ein paar Stunden vorher noch ein reißender Wildbach war, deutet auf das gestrige Unwetter hin. Das Besichtigungsprogramm können wir zum Glück mit ein paar Ausreden deutlich verkürzen und werden mit dem Versprechen, Photos zu schicken, entlassen. Unser Gastgeber nennt uns keinen Preis sondern erklärt sich erst nach einigem Zögern dazu bereit, ein paar Dirham als Gegenleistung anzunehmen.

 

Der neue, angeblich durchgängige Asphaltbelag der Straße endet ca. 15 km hinter dem Dorf. Ab hier sind es ca. 60 km Schotterpiste, die für die Asphaltierung vorbeireitet wird. Wir durchqueren die schroffe Hochgebirgslandschaft hinter uns und entdecken, daß der gestrige Regen auf den höchsten Gipfeln die ersten weißen Kappen hinterlassen hat.

 

Frust an der Drâa

Wir erreichen Ouaouarzate und fahren dann auf der gut ausgebauten Straße das Drâatal hinunter. Wir wollen nach Mhamid, um uns dort an der Piste nach Foum Zguid zu versuchen. Nach unseren bisherigen Erlebnissen zweifle ich jedoch stark daran, daß es uns gelingen wird, diese Strecke zu meistern, die mir von deutlich besseren Fahrern, als ich es bin, als schwierig geschildert wurde und keiner von uns beiden Fahrern bisher Erfahrung im Sand sammeln konnte. Mir wäre eigentlich die Tourführung über das Tafilalt und dann erst nach Mhamid leider gewesen, aber Holger hat die Streckenplanung übernommen, da sie ja bereits zweimal in Marokko waren und ein paar unbekannte Strecken fahren wollen.

 

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir nach einem wunderbaren Ausflüg über Piste an die Wasserfälle des Drâa Agdz, wo wir uns auf dem Campingplatz unterhalb der Kasbah Zimmer im Gästebereich derselben gönnen. Ich fühle mich wie in 1001 Nacht: Der Ausbau dieser Anlage ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen und so präsentiert sich der Garten im Innenhof eher spärlich aber die Zimmer sind vom Besitzer des Campingplatzes und seiner Frau einfach aber schön gestaltet worden und der Besuch im nahen Hamam, wo wir beiden Frauen uns von den Strapazen erholen, läßt uns wirklich in eine andere Zeit gleiten. Das Abendessen besteht wie so oft in den letzten Tagen aus einer Tajine, die wir im netten Campinplatzrestaurant genießen.

 

Nach dem Aufstehen beseitige ich zunächst die Schäden an der Maschine, nur den Koffer bekomme ich nicht hin und klebe ihn mit reichlich Panzertape, hoffentlich staubdicht, ab.

Nach ein paar Tassen Kaffee machen wir uns gemütlich auf den Weg nach Mhamid. Die Straße windet sich teilweise eng an den Felsen, vorbei an guterhaltenen Kasbahs durch riesige Palmengärten und kleine Dörfer, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Plötzlich öffnen sich die Felswände des Tals und geben den Blick frei auf die Bergkette im Süden. Dahinter beginnt endlich die Wüste.

Nach der Überquerung der Berge fahren wir bis kurz vor Mhamid jedoch zunächst nur durch Steinwüste. Wann kommt endlich der Sand?

Endlich Mhamid, aber was ist das? Kaum erreichen wir die ersten Häuser kleben Kinder und Erwachsene wie die Fliegen in Trauben an uns, versuchen uns zum Anhalten zu zwingen, uns ihre Dienste als Führer oder ähnliches aufzuzwingen und belästigen uns in bisher nicht erlebter Weise und Aggressivität. Wir fliehen regelrecht auf einen von einem Holländer geführten Campingplatz, wo wir zu Preisen, die uns die Tränen in die Augen treiben, eine Übernachtung im Nomadenzelt buchen. Das ist uns im Moment aber fast egal, wir wollen lediglich unbehelligt die Nacht in Ruhe verbringen.

Inzwischen haben wir den Plan, die Strecke Mhamid – Foum Zguid komplett zu fahren aufgegeben und wollen lediglich die erste Hälfte der Strecke bis zum Zwischenlager an der Oum Laala und von dort aus bis zum Lac Iriki, dort Übernachten und dann wieder zurück.

 

Doch wir sollen es noch nicht einmal bis dorthin schaffen. Komplett aufgepackt machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg in dies Wüste und kommen immerhin 5 km weit, also ca. 50 m weit auf der Tiefsandpiste. Dann stecke ich mit meinem schweren Gefährt bis übers Kettenrad im Sand. Désirée ist schon lange vorher abgestiegen und Holger kommt mit diesem Gewichtsvorteil immerhin 50 m weiter. Ausbuddeln und Umdrehen, Aufsteigen, Losfahren, Feststecken, Umfallen und den Fuß unter dem Koffer einklemmen. Autsch! Also erstmal Stiefel aus und nachschauen. Zum Glück nur eine Knochenprellung, der Fuß wird nicht dick, aber ich werde noch eine Weile ein schmerzhaftes Souvenir an meinen ersten Ausflug in den Sand haben. Ich weigere mich daraufhin, diese Piste auch nur 1 m weiterzufahren und beschwöre dadurch den heiligen Zorn von Holger.

 

Ein wenig mißgestimmt drehen wir also um und beschließen, auf dem schnellsten Weg nach Merzouga zu fahren, um dort die letzen Tage unseres Urlaubs zu verbringen und uns ein paar abgeschiedene Strecken zum Üben zu suchen. Auf dem Weg dahin wollen wir, zur Abwechslung die Piste links des Drâa nach Norden nehmen. Dies müssen wir jedoch leider nach ein paar km abbrechen, da Désirée mit ihrem schwarzen Intregralhelm und der viel zu warmen Jacke kurz vor einem Hitzschlag steht. Holger versucht den Weg abzukürzen und wir laden in einem Oued, wo ich meine Maschine umschmeiße.

Wir nehmen dann doch den bereits gefahrenen Weg zurück und dann den schnellsten Weg nach Zagora. Nach einer ausgedehnten Pause und dem üblichen Abendessen Tajine, wahlweise mit Fleisch oder Hühchen geht es Désirée dann wieder besser, aber an eine Weiterfahrt nach Tazzarine ist heute nicht mehr zu denken. Wir bleiben also in Zagora und entdecken einen neuen Campingplatz, der uns begeistert. Daß er nur für uns neu war und alle meine Bekannten bereits mit diesen Leuten "gefeiert" haben, seit der Platz 2001 seine Pforten geöffnet hat, erfahre ich nach meiner Rückkehr. Heute sind sind hier die einzigen Gäste und werden vom Besitzer wie Freunde empfangen. Nach dem Begrüßungstee und ein paar Bier kommt der Dattelschnaps auf den Tisch. Wo er das alles organisiert hat, will ich lieber nicht wissen, denn ein offizielles Alkoholgeschäft gibt es Zagora nicht. Wir sind davon überzeugt, die Marokkaner problemlos unter den Tisch trinken und zeitig ins Bett gehen zu können, aber wir müssen uns eines besseren belehren lassen. Nach den Bier, 1l Schnaps für 6 Personen und noch 2 Flaschen Rotwein müssen wir Europäer weit nach Mitternacht kurz vor dem Delirium aufgeben. Aber wir hatten einen wirklich lustigen Abend mit lustigen Geschichten, Diskussionen und sogar Tanz.

 

Das Aufstehen fällt mir nicht leicht, aber nachdem ich mich mit in paar Aspirin und Kaffee gedopt habe, kann ich sogar das reichhaltige Frühstück mit Berberpizza genießen. Wir haben heute noch eine gutes Stück Strecke nach Merzouga vor uns und Désirée und Holger wollen auch noch in Nkob ein paar Photos abgeben. Die Strecke ist landschaftlich nicht wirklich reizvoll und wir kommen rasch voran.

Bei der Mittagspause in Nkob erhalten wir vom Empfänger der Photos, dem jungen Friseur des Ortes, eine Einladung zu seiner Hochzeit im nächsten Jahr. Insch Allah. Wir schaffen es trotzdem nicht im Hellen nach Merzouga. Die letzten 100 km sind eine Tortur. Es ist Wind aufgekommen und wirbelt Sand und Staub auf, sodaß die Sichtweite nicht viel über 50m beträgt. Der Mond ist noch nicht aufgegangen und wir fahren erneut in ein schwarzes Loch.

Zum Glück ist wenig Verkehr und es gibt mittlerweile eine gut ausgebaute Straße, fast Autobahn, nach Merzouga, das wir gut 1,5 Stunden nach Sonnenuntergang erreichen. Nur die Zufahrt zum Hotel gestaltet sich als Problem. Wir wollen im Ksar Sania, ein wenig außerhalb des Ortes, unser Lager aufschlagen. In der Dunkelheit finden wir nicht sofort die richtige Zufahrt und landen auf dem Weg hinter dem Hotel im Tiefsand, bergauf und Holger sitzt fest. Ich drehe, finde die richtige Zufahrt und hole Hilfe. 8 hilfsbereite Hände machen Holger innerhalb von 5 Minuten flott und wir können unsere Beduinenzelte beziehen.

 

Sand und Randale im Tafilalt

Beim Frühstück beschließen wir, eine kleine Rundtour um Merzouga zu unternehmen und starten gleich in Richtung Zeitsee, der jetzt zu Beginn des Herbstes leider ausgetrocknet ist. Trotzdem macht hier das Fahren riesig Spaß, keine Steine, keine Löcher, keine Serpentinen, keine Abgründe, einfach nur Gas und geradeaus. Der Hunger treibt uns in ein Restaurant, ein wenig außerhalb von Merzouga auf einem Hügel gelegen und mit herrlicher Aussicht. Fast vergessen wir, daß wir eigentlich noch ein wenig fahren wollen.

 

Holger will ins Nachbardorf, da sie diese Piste in Richtung Merzouga bei Ihrem letzten Besuch im Dunklen gefahren sind. Der falsche Abzweig heißt für uns erst einmal Holger ausbuddeln und dann die Luft aus den Reifen lassen. Wir sind hier direkt hinter dem Dorf am Müllplatz und kein Mensch stört uns.

Also Sandfahren üben. Nach und nach geht das immer besser. Die 4 Buchstaben so weit nach hinten, daß ich fast auf dem Gepäckträger sitzt und Gas und dann geht das sogar mit den verspurten Stellen. Na, das hätten wir mal ruhig vor Mhamid probieren können. Aber mit Gepäck und Beifahrer wäre das sicherlich auch nicht besser gegangen. Nach 45 Minuten Trainingsrunden brechen wir ab.

Wir nehmen den richtigen Abzweig ins nächste Dorf und trinken dort den besten und preiswertesten Tee unseres gesamten Urlaubs. Dann heißt es zurück ins Hotel und umsatteln, denn Désirée hat uns zu einer Dromedartour in den Sonnenuntergang überredet. Und auf diesen braven, gemütlichen Tieren werden starke Männer zu Angsthähnchen. Holger hat bereits nach 10 Schritten Schweißperlen auf der Stirn und als die Dromedare die ersten kleinen Dünen erklimmen, beginnt er laut und vernehmlich danach zu verlangen, absteigen zu dürfen. Aber wir Frauen sind ohne Gnade und ärgern uns, keine Videokamera zu Hand zu haben.

Der Sonnenuntergang ist überwältigend schön und wir wollen gar nicht mehr zurück. Der Stille der Wüste wird nur durch ein paar Franzosen mit Ihren Möchtegernrallyefahrzeugen mit Begleit-Lkw und Möchtegernrennfahrerallüren gestört, die in den Dünen als "Team Drakkar Normand" für die Paris-Dakkar üben. Leider sind diese unangenehmen Typen bei uns im Hotel abgestiegen, und dann auch noch bei uns in den Nomadenzelten. Das Ganze unter lauten Rufen nach "Gazelles". Na, die Nacht kann ja heiter werden!

 

In der Nacht werden wir mehrfach von diesen Typen geweckt. Beim Frühstück erfahren wir, daß dies leider nicht die einzigen Störungen waren, denn nach 18 Flaschen Wein für 9 Personen haben 4 dieser Gestalten beschlossen, den marokkanischen Lebensgefährten der Hotelchefin krankenhausreif zu prügeln und die Hotelrezeption auseinanderzunehmen. Statt Entschuldigungen hagelt es dann beim Frühstück wüste Beschimpfungen dieser Typen und die ganze Affäre landet vor Gericht. Stand der Dinge bei unserer Abfahrt: Hotelchefin und Lebensgefährte sind angeklagt wegen Prostitution, weil sie eheliche Gemeinschaft ohne Trauschein pflegen und die 4 Schläger müssen zwar noch ein paar Mal vor dem Gericht in Er Rachidia erscheinen, werden sich aber mit einer Geldstrafe freikaufen können. Das ist Marokko. Wir beschließen, dieses Vorfälle in den entsprechenden Foren im Internet publik zu machen.

 

Da Sonntag ist, machen wir uns auf den Weg nach Rissani, um dort den großen Souk zu besuchen. Der Markt selber unterscheidet sich lediglich in der Kleidung des weiblichen Bevölkerungsanteils von denen in anderen Orten, nur der Parkplatz ist definitiv anders: keine Stellflächen für motorgetriebene Gefährte, sondern ein spezieller Bereich, wo Esel und Dromedare abgestellt werden. Was für ein Geruch, Staub und ein Lärm. Und da hinten, hab ich es richtig gesehen, müssen sie die Esel schon übereinander stapeln.

Nach dem ausgiebigen Mittagessen fahren wir weiter nach Erfoud. Es soll über Piste nach Merzouga zurückgehen, aber erst noch ein Abstecher auf den Berg mit dem Observatorium. Ich hatte gehofft, daß die Pisten mit den großen fiesen Steinen und tiefen Rinnen endlich Geschichte sind aber Holger greift sich mit sicherem Händchen wieder eine solche, auf der ich auch prompt wieder umfalle. Meine Entscheidung ist gefaßt, das nächste Mal mit dem Motorrad Nordafrika, dann nur noch Wüste. Da fällt man weicher.

Den Plan mit Piste geben wir auf, nachdem der erste Versuch im Tiefsand und Ausbuddeln von Holger endet und die Sonne auch schon ziemlich tief steht. Morgen wollen wir noch einen Versuch mit dem Sand starten und dann heißt es schon Abschied nehmen.

 

Am letzen Tag im Erg Chebbi faulenze ich erst einmal den gesamten Vormittag und lasse mich dann von Holger überreden, ohne Beifahrerin ein Stück in den Süden zu fahren, wo ein paar winzige Dünen ein kontrolliertes Sandfahren ermöglichen sollten. Jetzt fängt es an, richtig Spaß zu machen. Endlich macht sich der Wüstenreifen bezahlt, denn da wo Holger trotz geringeren Gewichts mit seinen Reifen steckenbleibt und graben muß, wühlt sich mein Schwergewicht mühelos durch den Sand. Ich werde mutig und fange an, die Dünen nicht nur am Rand, sondern die kleinen mit 3-4m Höhe auch voll zu fahren. Wir beschließen, am späten Nachnittag erneut hierher zu kommen, diesmal mit Photoapparat. Leider scheitert bereits die Anfahrt, da ich eine Piste ein Stück östlich der von Mittags erwische und wir im Tiefsand landen. Holger wieder ausbuddeln und dann reicht es uns Beiden. Das Abendessen haben wir uns heute wirklich verdient.

Morgen müssen wir wieder nach Norden. Eigentlich möchte ich noch bleiben, ich genieße gerade die Ruhe, die Oasenathmosphäre des Hotels und ein paar Tage ohne Streß und weite Fahrtstrecken. Die nächsten beiden Tage werden nur noch km-Fressen sein, damit wir am Mittwoch Nachmittag in Nador sein können.

 

Damit der Abschied leichter fällt

fallen bei unserer Abfahrt die ersten Regentropfen und Sturm kommt auf. Wenigstens gibt es bei Regen keinen Sandsturm. Falsch. Kurz vor Rissani stecken wir dann im besten Sandsturm. Sichtweite teilweise unter 50m und der Sturm bläst so, daß ich bei Seitenwind befürchte, mit dem Koffer aufzusetzen. Erst kurz vor Er Rachidia können wir wieder staubfreie Luft in unsere Lungen lassen. Wir durchfahren das Ziz-Tal und ich sehe jetzt, wozu die vielen Dreschboden ähnelnden Flächen benötigt werden: hier werden die jetzt reifen Datteln von den Fruchtbüscheln gezupft und getrocknet. Kurz vor Midelt biegen wir nach Missour ab. Ca. 30 km hinter Missour finden wir an einer Tankstelle ein Hotel, in dem wir eine Übernachtung buchen. Ich verspüre ein verdächtiges Kratzen im Hals und fühle mich nicht wirklich gut. Nach hoffentlich ist das nur der Staub von heute Vormittag.

 

Am nächsten Morgen regnet es natürlich wieder, hört aber zum Glück kurz vor Guercif auf und wir erreichen Nador ohne besondere Vorkommnisse. Désirée und ich wollen die Zeit bis zu geplanten Abfahrt der Fähre am nächsten Mittag eigentlich mit Einkaufen nutzen, aber Nador scheint hier nicht der richtige Ort zu sein. Am Hafen erfahren wir, daß es, entgegen der Auskunft im Internet, doch eine Nachtfähre nach Almeria gibt und wir beschließen sofort, diese zu buchen. Bloß weg hier aus dieser grauenhaften, lauten, dreckigen Hafenstadt. Zum Abschluß unserer Reise, die trotz der Tatsache, daß wir uns vorher nicht kannten, harmonisch verlaufen ist, bekommen wir uns noch über die Frage der Gestaltung des restlichen Nachmittags in die Haare. Na, so wird der Wunsch nach Hause zu kommen wenigstens ein bißchen größer.

 

Mit 30 min Verspätung legt die Fahre dann endlich um 22.30h ab. Afrika ade. In meinem Kopf laufen die Bilder der vergangenen 3 Wochen wie ein Film und ich kann endlich verstehen, warum Hanni sagt: "Einmal Afrika, immer Afrika!"

 

Deutschland ist in Aquadulce

Auf dem Campingplatz angekommen hat uns Deutschland sofort wieder. In den vergangenen 3 Wochen müssen hier ganze Heerscharen von Überwinterern angekommen sein, denn der Campingplatz ist fast ausgebucht und nur von deutschen Rentnern, die hier den Winter zu verbringen scheinen. Und dann sind wir mitten in Deutschland: neben unserem Stellplatz ist ein Autowaschplatz und ab 10.00h morgens bildet sich hier sogar fast eine Schlange von Autos, die gewaschen werden sollen, obwohl kein Stäubchen den Hochglanz ihrer polierten Karosserie trübt. Wahrscheinlich hätte man Holgers Auto in weiteren 2 Wochen vom Campingplatz entfernt, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.

 

Inzwischen hat sich mein Halskratzen zu einem ausgewachsenen Bronchialkatharr entwickelt und ich verschlafe die komplette Heimfahrt auf der Ladefläche des Kombis, vollgestopft mit Grippemittel.

 

In Karlsruhe erwartet uns der Winter mit ein wenig Sonne und Außentemperatur knapp über 0 Grad.

 

Ich werde diesen Winter sicher oft die Dias und Erinnerungen hervorkramen, Erinnerungen an ein faszinierendes Land und wunderbare Menschen.

 

Marokko, ich komme wieder!

aktualisiert: 19.07.09

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